Wieder im Gleichgewicht – sportlich mit Prothese

Sabine und Rainer auf dem Rosengarten-Ball
Sabine und Rainer auf dem Rosengarten-Ball
Sabine hat Mut und testet eine Lauffeder
Sabine hat Mut und testet eine Lauffeder

Sie sind ein schönes und sympathisches Paar. Auf dem Rosengarten-Ball in Mannheim zeigen Sabine Theurer-Berger und ihr Mann Rainer, dass Paartanz auch mit Prothese möglich ist. Sie tanzen eine Formation, die von der Tanzschule Kronenberger in Walldorf mit weiteren Tanzpaaren der „Bewegungsförderung für Amputierte“ von Anpfiff ins Leben e.V.  für diesen großen Moment im Juni 2017 eingeübt wurde. Seit mehr als einem Jahr nehmen Sabine und Rainer regelmäßig, für jede Tanzstunde, einen Weg von gut 100 Kilometer auf sich – pro einfache Strecke!

Sabine Theurer-Berger, von Beruf Krankenschwester, ist Mutter von zwei kleinen Kindern, als sie merkt, dass mit ihrem Knie etwas nicht stimmt. Der kleine Jonas ist gerade drei Jahre und das Töchterchen Rebecca erst wenige Wochen alt, als im Jahr 2000 an der Universitätsklinik in Münster ein als gutartig eingestufter Tumor im Knie festgestellt wird. Doch schon im Sommer 2001 steht fest, dass es sich bei dem Tumor um ein Osteosarkom handelt, das dringend behandelt werden muss.

Die kleine Familie wohnt zu diesem Zeitpunkt in Remscheid. Die in Bühl bei Baden-Baden lebenden Eltern von Sabine bieten umgehend und selbstverständlich jede Hilfe an. Sabine zieht mit den Kindern direkt nach der Diagnose zu ihren Eltern nach Bühl. Die Sicherheit, ihre Kinder immer in der Obhut ihrer Familie zu wissen, gibt Sabine viel Kraft und Halt. Nach einer Chemotherapie wird die erste Operation durchgeführt und Sabine bekommt ein künstliches Knie. Die Operation ist ein großer Eingriff. Aber danach kann Sabine mit Hilfe einer Orthese wieder gehen. Sie arbeitet hart für ihre Mobilität, fährt auch wieder Fahrrad.

Im Jahr 2006 wird wieder eine große Operation fällig. Die Belastung des Oberschenkelknochens durch das künstliche Knie ist erheblich. Sabine hat Schmerzen. Sie macht sich Sorgen wegen ihrer Kinder, die miterleben müssen, dass die Mutter immer schlechter laufen kann und oft im Krankenhaus liegt. Sabine erholt sich langsam von der Operation und alle sind erleichtert, als es ihr wieder gut geht. Dann verschlechtert sich der Zustand des Knies jedoch unaufhaltsam. Im Jahr 2011 muss das Kniegelenk ausgetauscht werden. Es hält nur kurze Zeit. Auf Grund dieser Tatsache wird Ende 2013 ein Zeitpunkt für die Amputation festgelegt. Kurz vor der geplanten Operation bricht das künstliche Kniegelenk. In der Orthopädischen Klinik in Schlierbach wird die Oberschenkelamputation durchgeführt. Rückblickend sagt Sabine: „Seit der Diagnose und ersten Operation vor dreizehn Jahren ging es mir kontinuierlich schlechter.“ Trotzdem ist sie froh, dass ihr Bein so lange erhalten werden konnte.

Ihr Orthopädie-Techniker in Baden-Baden hilft ihr dabei, das richtige Kniegelenk für die Prothese zu finden und auch, es von der Krankenkasse finanziert zu bekommen. Mit der Prothese wieder laufen zu lernen, ist anstrengend. Sabine stellt fest: „Eine Prothese muss man wirklich wollen.“ Ganz klar ist, dass Sabine den unbedingten Willen hat, wieder gut laufen zu können.

In ihren Beruf kann Sabine nicht mehr zurückkehren. Sie engagiert sich in dem Projekt „Klasse 2000“, wobei ihr die Ausbildung als Krankenschwester zu Gute kommt. Es geht um Gesundheitsvorsorge, Gewalt- und Suchtprävention bei Grundschülern- Es geht auch darum, den eigenen Körper besser kennenzulernen. Die Arbeit mit den Kindern macht ihr viel Freude.

Sabine möchte eine Ausbildung zum Peer im Krankenhaus, kurz PiK, machen. So werden die Menschen genannt, die auf ehrenamtlicher Basis in die Kliniken gehen, wenn sie erfahren, dass dort ein Patient, eine Patientin, mit der Tatsache konfrontiert wird, dass eine Amputation erforderlich ist – oder, nach einem Unfall, bereits erfolgt ist. „Es war ein Glück, dass ich Diana Schütz von der Bewegungsförderung für Amputierte so bald nach der Amputation kennengelernt habe“ sagt Sabine nachdenklich. Sie weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig gerade der Austausch von Betroffenen untereinander ist.

Sabine treibt Sport, um sich fit zu halten. Sie hat ein schickes Liegerad, mit dem sie sicher, sportlich und vor allem sehr gerne unterwegs ist. Ein Rudergerät steht zu Hause zum Training bereit. Sabine geht schwimmen – und sie tanzt. Das Tanzen, da ist sie ganz  sicher, hat ihrer Beziehung und ihrem Körper gut getan. Sabine freut sich: „Nach dem Tanzen laufe ich immer sehr viel besser als vorher.“ Sie findet, dass es eine perfekte Ergänzung zur Gehschule ist. Denn es hilft dabei, das Gleichgewicht zu finden - auch das innere.

Verfasst von Stephanie Riechwald, Juli 2017