„Sport hat eine unglaubliche Kraft. Sport macht glücklich. Und gerade für Menschen, die ein traumatisches Erlebnis hatten oder sich oft ausgeschlossen fühlen, ist Sport das beste Heilmittel."

 

Amputation als Chance - Christian Heintz

„Ich werde oft gefragt, was ich wählen würde: Entweder beide Beine und mein altes Leben, oder mein Leben wie es jetzt ist. Für mich ist das gar keine Frage, ich würde immer mein jetziges Leben wählen.“

Dabei fehlte es Christian Heintz vor seiner Amputation an nichts: Maler von Beruf, Fußballer aus Leidenschaft. "Ich war auch damals glücklich. Aber heute ist mein Hobby auch mein Beruf. Und ich arbeite jeden Tag daran, anderen Menschen Freude zu bringen."

Ein Autounfall rückte 2010 sowohl seinen Beruf wie sein Hobby in weite Ferne. Christian kam von der Straße ab und raste gegen einen Baum. Sechs Tage lag er im Koma. Als er erwachte, war sein gewohntes Leben vorbei. Eine Quetschung hatte zum Kompartmentsyndrom in seinem rechten Bein geführt, die Nerven unterhalb seines Knies wurden nicht mehr mit Blut versorgt und starben ab.


Noch im Krankenhaus begann Christian jedoch, an seinem neuen Leben zu arbeiten. Gegen den Rat der Ärzte entschied er sich für einen Neuanfang: „Die Ärzte wollten mein Bein versteifen. Aber ich habe auf einer Amputation bestanden.“ Eine mutige Entscheidung für den damals 26-Jährigen, der darin die Chance auf ein aktiveres Leben erkannte. Durch einen Flyer erfuhr er später vom Amputierten-Fußball. Noch heute bezeichnet er diesen Flyer als seine Eintrittskarte in ein neues Leben.

„Ich dachte, der Fußball wäre für mich gestorben. Aber als ich von dieser Sportart erfuhr, hatte ich wieder ein neues Ziel.“Um dieses Ziel zu erreichen, brauchte er viel Geduld. Zwei Jahre dauerte es, bis Christian wieder mit dem Sport beginnen konnte. 2012 ergab sich die Möglichkeit, endlich wieder gegen einen Ball zu treten. Ohne Prothese, dafür mit zwei Krücken in der Hand. „Das war noch die erste Generation der deutschen Krückenfußballer“, erinnert sich Christian. „Die haben zufällig bei mir in der Nähe trainiert.

Von da an war ich mit dabei. Aber diese Möglichkeit ergab sich nur selten.“ Deshalb spielte er auch Sitzvolleyball, was direkt in Koblenz möglich war. 2016 schaffte er sogar den Sprung zu den Paralympics in Rio de Janeiro. „Sportlich war ich zwar nicht gut genug, aber ich habe alle Aufgaben übernommen, die angefallen sind. Ich wurde mitgenommen, um dem Team zu helfen. Das war eine einmalige Erfahrung.“

 

Spielszene amputiertenFussball


Genauso brachte er sich auch für den Amputierten-Fußball ein. Christian war ständig auf der Suche nach weiteren Mitstreitern. Die Bemühungen wurden 2015 belohnt. Anpfiff ins Leben hatte sich der sportlichen Förderung von Menschen mit Amputation verschrieben und eine Mannschaft ins Leben gerufen.

„Anpfiff war ein echter Glücksfall für uns. Wir sind mit unserer Leidenschaft offene Türen eingerannt und haben nicht nur die finanzielle, sondern vor allem die organisatorische Unterstützung bekommen, die wir brauchten.“ Weil er bei sich und seinen Teamkollegen bei jedem Training, noch stärker aber im Wettkampf, erlebte, wie der Sport ihnen etwas zurückgab, was sie schon verloren geglaubt hatten, nahm die Organisation des Sports eine immer größere Rolle in seinem Alltag ein.

Es dauerte daher nicht lange, bis er darüber nachdachte, wie er sein Hobby zum Beruf machen könnte. „Ich wollte möglichst vielen Menschen diesen Sport näherbringen. Und ich wollte zum Anpfiff-Team gehören“, sagt Christian. Dieses Ziel erreichte er 2018, als er die Unterstützung der Aktion Mensch Stiftung gewann.

Mit dem Modellprojekt „Amputierten-Fußball im Verein“ möchte er weitere Fußballer zu finden, Amputierten-Fußball-Vereine aufzubauen und einen eigenen Ligabetrieb etablieren. Ebenso möchte er normalen Fußballvereinen zeigen, dass es möglich ist, Amputierten-Fußballer in ihr Training zu integrieren. So müssen Christian und seine Mitspieler nicht auf die Trainingswochenenden mit ihrer Mannschaft warten, sondern können sich auch dazwischen fit halten und verbessern. „Viele glauben nicht, dass das funktionieren kann. Aber eigentlich ist es ganz einfach.“


Der Preis, den Christian für die Chancen, die er nun hat, bezahlen musste, war hoch. Es zeugt von seinem Willen und Charakter, dass sie erkannt und genutzt hat. Heute spielt Christian wieder Fußball und hat seine neue Leidenschaft zu seinem Beruf gemacht. Vor allem aber erhält er jeden Tag die Chance, das Leben von anderen, die sein Schicksal teilen, besser zu machen. Er hilft Menschen nach einer Amputation oder mit einer angeborenen Gliedmaßenfehlbildung, den Fußball für sich zu entdecken.


„Sport hat eine unglaubliche Kraft. Sport macht glücklich. Und gerade für Menschen, die ein traumatisches Erlebnis hatten oder sich oft ausgeschlossen fühlen, ist Sport das beste Heilmittel. Ich durfte schon oft miterleben, wie junge Menschen das erste Mal nach einer Amputation wieder als Team Fußball spielen. Sie verändern sich vor meinen Augen. Für viele kehrt zum ersten Mal wieder Normalität in ihr Leben zurück. Endlich geht es nicht mehr um ihre Amputation, sondern um ihre sportliche Leistung, um ihren Beitrag für das Team. Diese Erfahrung sollte jeder Mensch mit einem Handicap machen können.“