„Solange ihr die Kontrolle über eure Bilder habt, solange habt ihr die Kontrolle über euer Leben“

Erstellt von Barbara Reeder 15.03.2024

Alle Jugendlichen der U14 Mannschaften, die beim Workshop zur Internetprävention von Anpfiff ins Leben dabei sind, haben ein Smartphone. Und damit ein Werkzeug in der Hand, mit dem sie anderen schaden, aber auch selbst zum Opfer werden können, sagt Elmar Forn, der den Workshop leitet. Deswegen ist für ihn Medienkompetenz in dem Alter so wichtig.

Forn kommt gleich zur Sache und klärt die Jungs darüber auf, dass viele Inhalte im Netz und Videospiele erst ab 18 Jahren sind. Auch WhatsApp dürften sie eigentlich gar nicht haben, weil hier eine Altersbeschränkung gilt. „Videogames sind nicht so schlimm?“, fragt er dann in die Runde. Das Argument, dass man nur virtuell schießt, lässt er nicht gelten. Schließlich werde auf Menschen geschossen und „ich behaupte aufgrund meiner Erfahrung als Polizist, dass es etwas verändert.“

Elmar Forn ist Fußball-Trainer beim DFB und im Hauptberuf Polizei-Hauptkommissar. Dort hat er mit Mord und Kinderpornografie zu tun. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er die Jungs vor strafbaren Inhalten, automatischen Downloads oder der Scheinwelt vieler Influencer warnt. Aber im Anpfiff-Förderzentrum in Walldorf will er keinen Polizeivortrag halten – und den Jugendlichen das Smartphone oder Ballerspiele auch nicht verbieten, betont er.

Warum brauchen Jugendliche ein Smartphone?

Jetzt sind die Jugendlichen dran: Eine Gruppe soll sich Argumente überlegen, warum Eltern ihren 12 oder 13 Jahre alten Kindern ein Smartphone schenken sollen. Die andere Gruppe sammelt Gründe dagegen. Auf dem Poster der zweiten Gruppe finden sich am Ende deutlich mehr Argumente. Erreichbarkeit als Grund für ein Smartphone scheidet für Forn aus – „dafür reicht auch ein altes Nokia-Handy“.

Das Smartphone mit dem unbegrenzten Zugang zum Internet und Messenger-Diensten kann für ihn sowohl Waffe als auch Werkzeug für Straftaten sein. Denn Gewaltvideos und Hass und Hetze sind strafbar, macht er deutlich. Häufig werden sie in Gruppen geteilt – und, je nach Einstellung am Smartphone, automatisch auf dem Gerät gespeichert. Aber schon der Besitz ist illegal und kann schwerwiegende Folgen für die Jugendlichen haben.

Das Internet vergisst nie

Frei nach Karl Lagerfeld betont Forn immer wieder: „Solange ihr die Kontrolle über eure Bilder habt, solange habt ihr die Kontrolle über euer Leben.“ Die Modeikone hatte den Kontrollverlust seinerzeit am Tragen von Jogginghosen festgemacht, doch der Vergleich mit den Bildern erscheint realistischer. Denn sind die Bilder erst einmal im Netz, gibt es meist kein Zurück mehr: Viele Server stehen im Ausland und sind dann unerreichbar für die Behörden.

Ein Video des österreichischen Bundeskriminalamts, das Forn  vorspielt, zeigt das eindringlich. Was als harmloser Internetflirt beginnt, entwickelt sich schnell als Alptraum für die Hauptfigur: Er schickt ein Nacktvideo an eine vermeintliche Bekanntschaft und wird daraufhin von ihr erpresst. Am besten ist es natürlich, erst gar keine Videos ins Netz zu stellen. Aber wenn es passiert, legt Forn den Jugendlichen ans Herz, sich an ihre Eltern zu wenden.

Noch sind solche Dinge wie Sexabzocke im Netz für die Jungs der U14 kein Thema. Doch genau auf solche Situationen soll der Workshop sie vorbereiten. Deswegen findet die Internetprävention im Rahmen der 360°-Bildungsreihe bei Anpfiff ins Leben immer für die Mannschaften der U14 statt. Sie haben normalerweise schon ein Smartphone, sind in WhatsApp-Gruppen und auf TikTok oder Instagram unterwegs.

Jede Menge Fake und Inszenierung

Forn zeigt, dass auf Social Media viel Fake am Start ist und auch, wie einfach es ist, Bilder für den noch perfekteren Körper zu manipulieren. „Seid vorsichtig bei Leuten, die irgendwas im Netz verbreiten“, warnt Forn. Die Anzahl der Follower ist dabei kein Hinweis für ein echtes Profil, erklärt er, denn Likes und Follower kann man für wenig Geld kaufen.

Auch ein anderes wichtiges Thema spricht Forn in dem Workshop an: Mobbing. Das Problem hat extrem zugenommen, unter anderem durch die sozialen Medien, wo sich demütigende Bilder und Videos in Sekundenschnelle verbreiten. „Ich erwarte nicht, dass sich jemand bei Mobbing vor das Opfer stellt“, sagt Forn. Denn er weiß genau, dass derjenige dann schnell selbst zum Opfer werden kann. Dennoch: „Nix machen geht nicht“, lautet sein Credo. „Ich erwarte, dass man es dem Lehrer oder Trainer oder den Eltern sagt – möglichst so, dass es niemand mitbekommt.“

Profileinstellungen bearbeiten und sich ab und zu mal selbst googeln

Einen Königsweg für die Smartphone-Nutzung gibt es nicht. Forn geht es darum, den Jugendlichen eine Art Leitplanke zu geben, damit sie nicht von der Spur abkommen. Dazu gehört für ihn, manche Fotos aus den Profilen zu entfernen – zum eigenen Schutz. Oder sich ab und zu selbst zu googeln. Bei den Jungs der U14 kommt seine Tipps gut an. „Ich fands gut, dass wir mal eine Anleitung bekommen haben,“ sagt Joshua. Er hat zwar auch schon mit seinen Eltern darüber gesprochen, doch die sind oft nicht up-to-date, was die Gefahren im Netz angeht. Daher hält Forn im Anschluss einen ähnlichen Vortrag – diesmal für die Eltern. Er möchte vor allem aufklären. „Im Internet werden Pädophilen die Kinder per Insta, Snapchat und Co. frei Haus geliefert“, warnt er und beschreibt mit welchen Tricks die Täter vorgehen, um an Nacktfotos zu kommen.

„Für Ballerspiele habe ich keine Lösung“, gibt Forn zu. Sie zu verbieten macht keinen Sinn, „dann spielen sie bei ihren Freunden“. Einen Kompromiss haben einige Eltern bereits auf dem Schirm: Montag bis Freitag gibt es keine Ballerspiele, sondern nur am Wochenende. In dieser Runde sind auch alle offen für einheitliche Vorgaben, wie eine Begrenzung der Bildschirmzeit. Einige Jugendliche haben das bereits, aber wenn die ganze Mannschaft mitzieht, ist es einfacher umzusetzen. Das Smartphone ganz zu verbieten, funktioniert nicht, da sind sich alle einig. Aber der Workshop hat gezeigt, dass man die Jugendlichen damit nicht allein lassen sollte. Und vor allem, dass es hilfreiche Tipps gibt, damit sie möglichst sicher im Netz unterwegs sind.